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wir zeigen an, dass uns die SolarWorld AG, Bonn, mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen
Interessen beauftragt hat. Ordnungsgemäße Bevollmächtigung wird anwaltlich versichert.
Die SolarWorld AG hat Ihre Kündigungserklärung vom 16. Mai 2013 an uns mit der Bitte
um Beantwortung weitergeleitet. Zur Kündigung dürfen wir Folgendes mitteilen:
Die Kündigung ist mangels Kündigungsrechts unwirksam.
Ein Kündigungsrecht ergibt sich weder aus § 9 Abs. 1 lit. (e) der Anleihebedingungen,
noch aufgrund einer angeblichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der
SolarWorld AG.
1. Nach § 9 Abs. 1 lit. (e) der Anleihebedingungen - diese Bestimmung hat die Überschrift
„Insolvenz u.ä.“ - besteht ein Kündigungsrecht, wenn
"ein Gericht ein Insolvenzverfahren gegen die Emittentin eröffnet, oder die
Emittentin ein solches Verfahren einleitet oder beantragt oder eine allgemeine
Schuldenregelung zu Gunsten ihrer Gläubiger anbietet oder trifft o-
der ein Dritter ein Insolvenzverfahren gegen die Emittentin beantragt und
ein solches Verfahren nicht innerhalb einer Frist von 60 Tagen aufgehoben
oder ausgesetzt worden ist."
Ein Kündigungsrecht nach dieser Vorschrift besteht nicht. Insbesondere hat die SolarWorld
AG keine allgemeine Schuldenregelung zu Gunsten ihrer Gläubiger angeboten
oder gar getroffen.
Bislang liegt nicht einmal ein Angebot einer allgemeinen Schuldenregelung vor, welches
die Gläubiger der SolarWorld AG, u.a. die Gläubiger der von Ihnen gehaltenen
Anleihe, annehmen könnten.
Abgesehen davon stellt ein - noch final auszuarbeitendes und sodann den Gläubigern
vorzulegendes - Restrukturierungskonzept keine „allgemeine Schuldenregelung“
dar. Denn § 9 Abs. 1 lit. (e) der Anleihebedingungen betrifft nur Insolvenzverfahren
und ähnlichen Verfahren. Dies sind andere staatliche Verfahren über die Reorganisation
der SolarWorld AG. Zu denken wäre etwa an Verfahren wie den
Zwangsvergleich nach der früheren Vergleichsordnung. Solche Verfahren werden -
auch nach der Aufhebung der Vergleichsordnung - sowohl in Anleihebedingungen
als auch im Gesetz (etwa in § 302 Abs. 3 Satz 2 AktG) in Bezug genommen.
Eine außergerichtliche Restrukturierung ist daher mit solchen Verfahren nicht vergleichbar.
So ist eine außergerichtliche Restrukturierung kein staatliches Verfahren.
Entscheidend ist darüber hinaus: Eine außergerichtliche Restrukturierung erfolgt naturgemäß
im Einvernehmen zwischen der SolarWorld AG und den beteiligten (nicht
notwendigerweise allen) Gläubigern. Die Gläubiger haben die Möglichkeit zu entscheiden,
ob sie bestimmten Sanierungsschritten zustimmen. In einem Insolvenzverfahren
oder einem Vergleichsverfahren nach früherem Recht oder ähnlichen Verfahren
wäre dies nicht der Fall.
Ein Kündigungsrecht aus § 9 Abs. 1 lit. (e) der Anleihebedingungen besteht damit
nicht.
2. Es besteht auch kein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund wegen angeblicher
Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse.
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a) Eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse steht - selbst wenn sie tatsächlich
vorläge - den in § 9 Ziff. 1 der Anleihebedingungen normierten Kündigungsgründen
nicht gleich. Nach dieser Bestimmung besteht ein Kündigungsrecht
nur dann, wenn die SolarWorld AG (i) ihren vertraglichen Pflichten nicht nachkommt
(Fälle (a) bis (c)) oder einen Insolvenzantrag stellt bzw. vergleichbare Sachverhalte
eintreten (Liquidation, Zahlungseinstellung) (Fälle (d) bis (g)).
Eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse steht - selbst wenn sie vorläge
- diesen Fällen nicht gleich. Insbesondere führt eine Restrukturierungsbedürftigkeit
keinesfalls notwendigerweise zur Insolvenz, Liquidation oder Zahlungseinstellung.
Schon deshalb scheidet eine Kündigung aus wichtigem Grund wegen Verschlechterung
der wirtschaftlichen Verhältnisse aus.
b) Nichts Anderes ergibt sich aus den - nur pauschal angeführten - §§ 314, 490 BGB.
Deren Voraussetzungen liegen nicht vor und werden in dem Kündigungsschreiben
bezeichnenderweise auch nicht dargelegt. Abgesehen davon gilt, dass §§ 314, 490
BGB auf das Schuldverhältnis aus den Anleihen nicht anwendbar ist.
§ 490 BGB gilt nicht für die Inhaberschuldverschreibung. Der Anspruch aus der Anleihe
ist kein Darlehensrückzahlungsanspruch und kann mit einem Darlehen auch
nicht gleich gesetzt werden. Denn es handelt sich bei Inhaberschuldverschreibung
um kapitalmarktfähige Wertpapiere, die nicht in den § 488 ff. BGB, sondern abschließend
in den § 793 ff. BGB geregelt sind.
Dies auch deshalb sachgerecht, weil der Anleihegläubiger nicht in vergleichbarem
Umfang schutzbedürftig ist, wie der Darlehensgeber. Denn durch die Börsennotierung
der Anleihen hat der Anleihegläubiger jederzeit die Möglichkeit, die Anleihen zu
veräußern und damit das Schuldverhältnis mit der Gesellschaft (durch Übertragung
auf einen Dritten) für sich zu beenden. Eines weitergehenden Schutzes über ein jederzeitiges
Kündigungsrecht aus wichtigem Grund bedarf es nicht.
Auch ein Kündigungsrecht aus § 314 BGB besteht nicht. Denn auch insoweit gehen
die § 793 ff. BGB als Spezialregelung vor.
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c) Darüber hinaus ist ein Kündigungsrecht deshalb ausgeschlossen, weil damit der
Regelungsgehalt des Schuldverschreibungsgesetzes (SchVG) ausgehöhlt würde.
aa) Typischerweise - und auch im Fall der SolarWorld AG - gilt Folgendes:
Ist die Gesellschaft sanierungsbedürftig, so ist sie darauf angewiesen, in einem
mehrstufigen Verfahren nach dem SchVG eine Änderung der Anleihebedingungen
zu erreichen. Dabei steht es im Belieben der Anleihegläubiger, ob sie bestimmten
Sanierungsbeiträgen zustimmen oder nicht. Allerdings sind die Beschlüsse der
Gläubigerversammlung für alle Gläubiger verbindlich, auch wenn diese nicht an der
Beschlussfassung teilgenommen oder gegen den Beschluss gestimmt haben.
Mit dieser kollektiven Wirkung der Beschlüsse wäre es nicht vereinbar, wenn schon
im Vorfeld jeder beliebige Gläubiger durch eine individuelle Kündigung erreichen
könnte, dass die Beschlüsse der Gläubigerversammlung für ihn nicht gelten und er
- anders als alle anderen Gläubiger - eine vorzeitige volle Rückzahlung seiner Anleihe
erreichen kann.
bb) Dies gilt erst Recht, weil in Sanierungsfällen typischerweise der Schuldner der Anleihen
pflichtgemäß die Sanierungsbedürftigkeit bekannt geben muss und damit
quasi gezwungen wäre, den Kündigungsgrund selbst mitzuteilen.
cc) Es kommt hinzu, dass der kündigende Anleihegläubiger für sich einen ungerechtfertigten
Sondervorteil beansprucht.
Denn typischerweise liegt es so, dass der Emittent gerade nicht in der Lage ist, die
Anleiheforderung vollständig zu bedienen, erst recht nicht vorzeitig. Dies bedeutet,
dass der kündigende Anleihegläubiger nur dann sein Ziel erreichen kann, wenn
zwar er die Kündigung erklärt, die übrigen Anleihegläubiger aber zu Sanierungsschritten
bereit sind.
Letztlich bezweckt der kündigende Anleihegläubiger für sich einen Sondervorteil auf
Kosten der übrigen Anleihegläubiger. Mit dem gesetzlichen Gleichbehandlungsgrundsatz
ist dies nicht vereinbar.
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Daher ist die Kündigung auch deshalb unwirksam, weil bei der stets vorzunehmenden
Interessenabwägung die Interessen der SolarWorld AG (und der übrigen Anleihegläubiger)
an dem Fortbestand des Schuldverhältnisses schwerer wiegen als das
Interesse des Anleihegläubigers an der Kündigung.
d) Die Einwände, die im Übrigen gegen die Unzulässigkeit einer Kündigung angeführt
werden - etwa die vermeintliche Irrelevanz der Handelbarkeit der Anleihen - , verfangen
nicht. Darauf kommt es jedoch letztlich auch nicht an, da bereits kein Kündigungsgrund
vorliegt und schon deshalb kein Kündigungsrecht besteht.
Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.
.................. lialen Grüßen
Ör. Klaus Felke
Rechtsanwalt