Montag, 1. Juli 2013

wer sich schon mal einen Eindruck von einigen Gegegründen (aus Sicht der Solarworld AG) im Kündigungsverfahren und wohl anschliessendem Klageverfahren vs Solarworld machen will....O-Ton Görg Rechtsanwälte aus Juni 2013

die SolarWorld AG hat Ihre Kündigungserklärung vom 25. Juni 2013 hinsichtlich der weiteren
von nn Koch gehaltenen Anleihen an uns mit der Bitte um Beantwortung weitergeleitet.
Zur Kündigung dürfen wir Folgendes mitteilen:
Die Kündigung ist auch hinsichtlich der weiteren Anleihen - ebenso wie die von Herrn RA
Dr. nn in Ihrem Namen erklärte Kündigung vom 16. Mai 2013 - mangels
Kündigungsrechts unwirksam.
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweisen wir zunächst auf unser Schreiben vom
27. Mai 2013.
Ergänzend dürfen wir mitteilen, dass ein Kündigungsrecht aufgrund § 9 Abs. 1 lit. d) nicht
besteht. Im Übrigen besteht auch kein sonstiges Kündigungsrecht aus wichtigem Grund.
1. Nach § 9 Abs. 1 lit. (d) der Anleihebedingungen besteht ein Kündigungsrecht -
diese Bestimmung hat die Überschrift „Zahlungseinstellung“ - dann, wenn
"die Emittentin ihre Zahlungsunfähigkeit bekannt gibt oder ihre Zahlungen
allgemein einstellt;"
Die SolarWorld AG hat weder ihre Zahlungsunfähigkeit bekannt gegeben noch ihre
Zahlungen allgemein eingestellt.
2. Es besteht auch kein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund wegen angeblicher
Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse.
a) In diesem Zusammenhang stützen Sie sich auf Urteile des Landgerichts Köln in
Fällen der DEIKON GmbH. Hierzu teilen wir zunächst mit, dass gegen die vorgenannten
Urteile jeweils Berufung eingelegt worden ist, über die noch nicht entschieden
ist.
b) Diese Urteile sind allerdings schon deshalb nicht auf die Anleihen der SolarWorld
AG übertragbar, weil die Anleihebedingungen in § 9 Abs. 1 diverse Kündigungsgründe
aufzählen. In den Anleihebedingungen der von der DEIKON GmbH ausgegebenen
Anleihen war dies nicht Fall.

Werden bestimmte Umstände als wichtiger Grund für eine Kündigung vertraglich
festgelegt, so entspricht es regelmäßig dem Parteiwillen, dass Umstände, die einen
sonstigen wichtigen Kündigungsgrund abgeben, mindestens so schwerwiegen müssen,
wie die in der Kündigungsklausel individuell vereinbarten Tatbestände (vgl.
BGH NJW 1986, 1928 (1929)).

Eine allgemeine Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse steht den in § 9
Ziff. 1 der Anleihebedingungen normierten Kündigungsgründen nicht gleich. Nach
dieser Bestimmung besteht ein Kündigungsrecht nur dann, wenn die SoiarWorid AG
(i) ihren vertraglichen Pflichten nicht nachkommt (Fälle (a) bis (c)) oder einen Insolvenzantrag
stellt bzw. vergleichbare Sachverhalte eintreten (Liquidation, Zahlungseinstellung)
(Fälle (d) bis (g)).
Eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse steht - selbst wenn sie vorläge
- diesen Fällen nicht gleich. Insbesondere führt eine Restrukturierungsbedürftigkeit
keinesfalls notwendigerweise zur Insolvenz, Liquidation oder Zahlungseinstellung.
Schon deshalb scheidet eine Kündigung aus wichtigem Grund wegen Verschlechterung
der wirtschaftlichen Verhältnisse aus.
c) Abgesehen davon gilt, dass §§ 314, 490 BGB - entgegen der von dem Landgericht
Köln vertretenen Ansicht - auf das Schuldverhältnis aus den Anleihen nicht anwendbar
ist.
§ 490 BGB gilt nicht für die Inhaberschuldverschreibung. Der Anspruch aus der Anleihe
ist kein Darlehensrückzahlungsanspruch und kann mit einem Darlehen auch
nicht gleich gesetzt werden. Denn es handelt sich bei Inhaberschuldverschreibung
um kapita'.rr«arktfählge Wertpapiere, die nicht in den § 488 ff. BGB, sondern abschließend
in den § 793 ff. BGB geregelt sind.

Dies auch deshalb sachgerecht, weil der Anleihegläubiger nicht in vergleichbarem
Umfang schutzbedürftig ist, wie der Darlehensgeber. Denn durch die Börsennotierung
der Anleihen hat der Anleihegläubiger jederzeit die Möglichkeit, die Anleihen zu
veräußern und damit das Schuldverhältnis mit der Gesellschaft (durch Übertragung
auf einen Dritten) für sich zu beenden. Eines weitergehenden Schutzes über ein jederzeitiges
Kündigungsrecht aus wichtigem Grund bedarf es nicht.
Auch ein Kündigungsrecht aus § 314 BGB besteht nicht. Denn auch insoweit gehen
die § 793 ff. BGB als Spezialregelung vor.

d) Darüber hinaus ist ein Kündigungsrecht deshalb ausgeschlossen, weil damit der
Regelungsgehalt des Schuldverschreibungsgesetzes (SchVG) ausgehöhlt würde.
aa) Typischerweise - und auch im Fall der SolarWorld AG - gilt Folgendes:
Ist die Gesellschaft sanierungsbedürftig, so ist sie darauf angewiesen, in einem
mehrstufigen Verfahren nach dem SchVG eine Änderung der Anleihebedingungen
zu erreichen. Dabei steht es im Belieben der Anleihegläubiger, ob sie bestimmten
Sanierungsbeiträgen zustimmen oder nicht. Allerdings sind die Beschlüsse der
Gläubigerversammlung für alle Gläubiger verbindlich, auch wenn diese nicht an der
Beschlussfassung teilgenommen oder gegen den Beschluss gestimmt haben.
Mit dieser kollektiven Wirkung der Beschlüsse wäre es nicht vereinbar, wenn schon
im Vorfeld jeder beliebige Gläubiger durch eine individuelle Kündigung erreichen
könnte, dass die Beschlüsse der Gläubigerversammlung für ihn nicht gelten und er
- anders als alle anderen Gläubiger - eine vorzeitige volle Rückzahlung seiner Anleihe
erreichen kann.
bb) Dies gilt erst Recht, weil in Sanierungsfällen typischerweise der Schuldner der Anleihen
pflichtgemäß die Sanierungsbedürftigkeit bekannt geben muss und damit
quasi gezwungen wäre, den Kündigungsgrund selbst mitzuteilen.
cc) Es kommt hinzu, dass der kündigende Anleihegläubiger für sich einen ungerechtfertigten
Sondervorteil beansprucht.
Denn typischerweise liegt es so, dass der Emittent gerade nicht in der Lage ist, die
Anleiheforderung vollständig zu bedienen, erst recht nicht vorzeitig. Dies bedeutet,
dass der kündigende Anleihegläubiger nur dann sein Ziel erreichen kann, wenn
zwar er die Kündigung erklärt, die übrigen Anleihegläubiger aber zu Sanierungsschritten
bereit sind.
Letztlich bezweckt der kündigende Anleihegläubiger für sich einen Sondervorteil auf
Kosten der übrigen Anleihegläubiger. Mit dem gesetzlichen Gleichbehandlungsgrundsatz
ist dies nicht vereinbar.
Daher ist die Kündigung auch deshalb unwirksam, weil bei der stets vorzunehmenden
Interessenabwägung die Interessen der SolarWorld AG (und der übrigen Anleihegläubiger)
an dem Fortbestand des Schuldverhältnisses schwerer wiegen als das
Interesse des Anleihegläubigers an der Kündigung.

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt
nn

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