Samstag, 7. September 2013

freut euch nicht zu früh über die neuen Aktien // Drohende Differenzhaftung im Nachgang zu debt equity swaps

Ulrich Simon

Das neue Schuldverschreibungsgesetz
und Treuepflichten im Anleiherecht
als Bausteine eines außergerichtlichen
Sanierungsverfahrens

S 86/87

(c) Drohende Differenzhaftung im Nachgang zu debt equity swaps

Debt equity swaps bergen für die Anleihegläubiger das Risiko, bei fehlender Vollwertigkeit
der einzubringenden Forderungen für eine entsprechende Differenz zu
haften.460 Denn sollten die eingebrachten Forderungen dem angeblichen Wert der
Einlage nicht entsprechen, haften sie verschuldensunabhängig461 in bar auf die angefallene
Differenz.462 Der Anleihegläubiger wird nur insofern von seiner Bareinlagepflicht
frei, als der Wert der Forderungen dem Ausgabebetrag der zu übernehmenden
Anteile entspricht.463 Für die Bewertung der Forderung gilt nicht der
Nennwert, sondern der wirtschaftlich reale Wert,464 der dem Registergericht durch
ein Gutachten465 nachzuweisen ist (§ 183 Abs. 3 Satz 1,184 Abs. 2 AktG).466 Hieraus
folgt, dass wegen der Sanierungsbedürftigkeit des Emittenten ein erheblicher
Abschlag zum Nennwert erforderlich ist.467 Das aus dem früheren Kapitalersatz-
459 Schlitt/Schäfer, FS Maier-Reimer, S. 614, 625.
460 Vgl. zur Haftung bei Sacheinlagen K. Schmidt, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise,
Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.223; Redeker, BB 2007, 673, 676; Lutter/Hommelhoj)"/
Timm, BB 1980, 737, 740; Bauer, ZInsO 2002, 153, 157; Wittig, FS Uhlenbruck, S. 685,
702f. Demgegenüber sieht die Bundesregierung im Rahmen des ESUG eine bedeutende
Privilegierung von Gläubigem vor, die im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens Anteile
erworben haben. Nach § 254 Abs. 4 InsO-E soll die Schuldner-Gesellschaft die Bewertung
der Sacheinlage nur innerhalb des Planverfahrens angreifen können; mit Bestätigung des
Plans durch das Insolvenzgericht (§ 248 InsO) sollen Ansprüche der Gesellschaft gegenüber
den Gläubigem ausgeschlossen sein, vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs, BT-Drucks.
17/5712, S. 32 li. Sp. Sehr kritisch zu dieser Privilegierung Hölzle, NZI2011, 124, k29.
461 Der Anleihegläubiger kann sich demnach nicht darauf berufen, dass er einem professionellen
Werthaltigkeitsgutachten Vertrauen geschenkt hat, vgl. Schmidt/Schlitt, Der Konzern
2009, 279, 285; Schönhaar, Kollektive Wahrnehmung, S. 102.
462 Vgl. K. Schmidt, ZIP 1980,328,334. Umstritten ist, ob diese Differenzhaftung nur in Höhe
des geringsten Ausgabebetrags (§ 9 Abs. 1 AktG) greift oder darüber hinaus ein Agio erfasst,
vgl. hierzu Schmidt/Schlitt, Der Konzern 2009, 279, 285.
463 Redeker, BB 2007, 673, 675; Wittig, FS Uhlenbruck, S. 685, 702; vgl. auch Cranshaw,
ZInsO 2008, 421,426.
464 BGH, Urt. v. 18.02.1991 - IIZR 104/90, BGHZ 113, 335, 341f. =NJW 1991, 1754; BGH,
Urt. v. 1 5 .0 1 .1 9 9 0 -II ZR 164/88, BGHZ 110, 47, 61 =NJW 1990, 982, 985; BGH, Urt.
v. 26.03.1984-11 ZR 171/83, BGHZ 90,370,373; BGH, Urt. v. 13.10.1954-11 ZR 181/53,
BGHZ 15, 52; Schmidt/Schlitt, Der Konzern 2009,279,282; Schönhaar, Kollektive Wahrnehmung,
S. 100; Redeker, BB 2007, 673, 675 m. w. N. aus der Literatur.
465 Dieses Gutachten eines gerichtlich bestellten Prüfers kann inzwischen auch durch einen
Sachverständigen ersetzt werden (§ 183a Abs. 1 Satz 1 AktG i.V.m. § 33a Abs. 1 Nr. 2
AktG), was allerdings eine vierwöchige Registersperre auslöst (§ 183a Abs. 2 Satz 2 AktG),
siehe zu weiteren Einzelheiten Schmidt/Schlitt, Der Konzern 2009, 279, 282.
466 Vogel, ZBB 2010, 211, 213.
467 Schmidt/Schlitt, Der Konzern 2009, 279, 282; Seibert, FS Schwark, S. 261, 264; Schönhaar,
Kollektive Wahrnehmung, S. 101.

recht drohende Risiko eines mit mehr als 10% am Unternehmen beteiligten Gesellschafters,
erworbene Forderungen (Distressed Debt Purchase) nicht zur Kapitalerhöhung
verwenden zu dürfen, hat sich mit Inkrafttreten des MoMiG erledigt
(§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG n. F.).468

Vor dem Hintergrund einer drohenden Differenzhaftung kann die Zulässigkeit
von debt equity swaps in Konflikt mit dem Verbot der Leistungsverpflichtung
(§ 5 Abs. 1 Satz 3 SchVG) geraten.469 Denn eine weite Auslegung des Leistungsverbots,
wie sie unter dem SchVG-1899 gepflegt wurde,470 würde alle Nachschusspflichten
erfassen, die Folge eines debt equity swaps sein können. Ein solcher
Widerspruch im Gesetz ist mit der gesetzgeberischen Intention der Sanierungserleichterung
nicht in Einklang zu bringen. Richtigerweise muss das Verbot der
Leistungspflicht daher eng verstanden werden und kann nur solche Verpflichtungen
erfassen, die Nachschüsse auf die Anleihe selbst vorsehen, ohne dass eine
wirtschaftlich gleichwertige Gegenleistung gewährt würde.471 Für den Fall der Insolvenz
bergen debt equity swaps freilich die Gefahr der nachrangigen Befriedigung.
Der Eintausch von Anleiheforderungen in Gesellschaftsanteile hat daher einen
Rangrücktritt472 zur Folge, weil Gesellschafter ihre Forderungen nur nachrangig
geltend machen können (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO).473

(d) Drohende Insolvenzanfechtung?

Sollte trotz des debt equity swaps die Insolvenz des Emittenten eintreten, muss
sichergestellt sein, dass die Gläubiger als neue Gesellschafter nicht erneut zur
Leistung der Einlage verpflichtet werden können. Eine solche Pflicht hätte aber
eine Insolvenzanfechtung des debt equity swap zur Folge. Denn der Gläubiger wäre
infolge der Anfechtung nicht durch die Leistung des Forderungs Verzichts von seiner
Einlagepflicht befreit.474

In Betracht kommen eine Anfechtung wegen der
Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO) oder wegen
unmittelbarer Gläubigerbenachteiligung (§ 132 InsO).
Eine Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO scheitert allerdings am Tatbestandsmerkmal
des Gesellschafterdarlehens. Zwar liegt ein Gesellschafterdarlehen
468 Vgl. K. Schmidt, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz,
Rn. 2.225.
469 Hierzu Vogel, ZBB 2010,211,215.
470 Dies ergibt sich zumindest aus der historischen Gesetzesbegründung, die klarstellt, dass
jedwede „Ausschreibung von Einschüssen zu Sanierungszwecken“ unzulässig sein sollte,
vgl. Vogel, ZBB 2010, 211, 215.
471 Vogel, ZBB 2010, 211, 215; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 5, Rn. 22.
472 Zum Rangrücktritt oben unter Kapitel III) 3) c) (4).
473 Vgl. auch Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2026.
474 Wirsch,NZG 2010, 1131.

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