Sonntag, 29. September 2013

Die außerordentliche Kündigung einer Unternehmensanleihe aus wichtigem Grund

06.03.2012
Anlegerschutz
Die außerordentliche Kündigung einer
Unternehmensanleihe aus wichtigem Grund
Als Instrument der bankunabhängigen Fremdkapitalbeschaffung hat sich das Marktvolumen
von Unternehmensanleihen für kleinere und mittelständische Unternehmen
in den letzten fünfzehn Jahren mehr als verdoppelt, da gerade in finanziell schwierigen
Zeiten der Unternehmen Banken vor dem Hintergrund gestiegener Eigenkapitalanforderungen
zunehmend nicht mehr zur Unternehmensfinanzierung im klassischen
Sinne bereit sind. Das Unternehmensrisiko wird hierdurch zunehmend auf private wie
institutionelle Anleger verlagert.
In seinem Urteil vom 26.01.2012 (Az. 30 O 63/11, BB 2012, 1821) hatte sich mit dem
LG Köln daher erstmals ein deutsches Gericht mit der Frage zu befassen, ob dem
Inhaber einer Unternehmensanleihe, hier in Form einer Hypothekenanleihe, ein außerordentliches
Kündigungsrecht zusteht, wenn die Emittentin den Anlegern offen mit
der Insolvenz des eigenen Unternehmens droht, um so eine Änderung der Anleihebedingungen
in der Restrukturierungsphase zu erreichen. Das Gericht bejahte das
Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 314 Abs. 1 BGB zutreffend unter
Verweis auf die Rechtsprechung des BGH zur drohenden Zahlungsunfähigkeit eines
Darlehensnehmers (BGH vom 10.03.2009 - XI ZR 492/07) und machte dabei deutlich,
dass es für das Vorliegen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes zudem
nicht darauf ankommt, ob dem Emittenten tatsächlich unmittelbar die Zahlungsunfähigkeit
droht.
Zum Sachverhalt des Urteils des LG Köln
Im zu entscheidenden Fall - welcher nunmehr dem OLG Köln vorgelegt wurde - erwarb
der Kläger im Jahre 2006 eine Hypothekenanleihe mit zehnjähriger Laufzeit
und einer Verzinsung von anfangs 6% p.a. Nach dem Eintritt finanzieller Schwierigkeiten
erstrebte die Emittentin als Sanierungs- und Restrukturierungsbeitrag von den
Anlegern die Zustimmung zur Reduzierung der Anleihezinsen auf lediglich 1%, sowie
die Reduzierung des Nennwertes von 60 auf 40%. Dabei wies die Emittentin darauf
hin, dass die Stellung eines Insolvenzantrages unausweichlich sei, wenn die Gläubiger
den vorgeschlagenen Reduzierungen nicht zustimmen sollten. Im Rahmen des
Klageverfahrens machte die Emittentin sodann geltend, eine wesentliche Verschlechterung
der Vermögensverhältnisse oder eine Überschuldung liege nicht vor, sei jedenfalls
aber bereits vor der Emission der Anleihen bekannt gewesen.
Anwendbarkeit der Grundsätze zur außerordentlichen Kündigung eines Darlehens
wegen drohender Zahlungsunfähigkeit der Emittentin
Zutreffend geht das LG Köln zunächst von der Anwendbarkeit des Rechts zur außerordentlichen
Kündigung der Anleihe nach § 313 Abs. 1 BGB aus.
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Zwar wird in der Literatur vereinzelt angezweifelt, ob Anleihen überhaupt als Dauerschuldverhältnisse
angesehen werden können. Aufgrund der Tatsache aber, dass
der Anleger während der Vertragslaufzeit grundsätzlich zur Belassung des Kapitals
und der Emittent zur Zahlung von Anleihezinsen verpflichtet ist, ist dies zu bejahen.
Ebenfalls unzutreffend wird die Auffassung vertreten, der Gläubiger bedürfe des unabdingbaren
Rechts zu außerordentlichen Kündigung nach § 314 BGB bereits deswegen
nicht, weil er die Anleihe jederzeit frei veräußern könne und die Unzumutbarkeit
eines Festhaltens am Vertrag damit jedenfalls entfalle. Dieser Einwand jedoch
betrifft zum einen allein das Vorliegen eines Kündigungsgrundes im Einzelfall und
kann damit schon nicht der Anwendbarkeit des § 314 BGB dem Grunde nach entgegenstehen.
Zum anderen bliebe dabei unberücksichtigt, ob diese Möglichkeit dem
Gläubiger überhaupt rechtlich und faktisch möglich ist. Vereinzelt wird zudem argumentiert,
die Anwendbarkeit des § 314 BGB ermögliche eine Aushebelung des Gesetzeszwecks
des Schuldverschreibungsgesetzes (SchVG), da dieses angeblich darauf
ausgelegt sei, finanziell angeschlagenen Unternehmen die Möglichkeit der Sanierung
auf Kosten der Anleihegläubiger zu ermöglichen (vgl. Trautrims, BB 2012,
1821 ff.). Dieser angebliche Zweck lässt sich jedoch der Begründung zum SchVG
weder in seiner Fassung aus dem Jahre 1899, noch in seiner Fassung aus dem Jahre
2009 entnehmen. Gegenstand sind vielmehr die Rechte der Gläubiger und wie
diese zur Sanierung oder im Falle der Insolvenz durch Mehrheitsentscheidung auf
die verbrieften Rechte einwirken können (vgl. Begr. RegE zum SchVG 2009, BTDrucks.
16/12814, 13). Geregelt wird damit, welche Rechte den Anlegern zustehen,
deren bereits gezeichnete Anleihen von der Schieflage der Emittentin betroffen sind,
und nicht, welche Möglichkeiten einem Unternehmen offen stehen, sich über die
Ausgabe von Anleihen durch die Anleihegläubiger zu sanieren.
Das Recht zur außerordentlichen Kündigung steht dem Anleger richtigerweise auch
nicht erst dann offen, wenn die Überschuldung der Emittentin bereits festgestellt ist.
Vielmehr ist dem Gläubiger die Kündigung, welche diesen eben gerade vor einem
Gesamtausfall in der Insolvenz der Emittentin schützen soll, nach den vom BGH zum
Darlehensvertrag entwickelten Grundsätzen bereits dann möglich, wenn sich die
Vermögensverschlechterung für die Anleiheschuldnerin sichtbar abzeichnet (BGH
vom 10.03.2009 - XI ZR 492/07). Ein Zuwarten auf die tatsächlich festgestellte Zahlungsunfähigkeit
würde das Kündigungsrecht im Ergebnis hingegen vollständig leer
laufen lassen. Es kann daher, wie auch das LG Köln zutreffend betont, nicht darauf
ankommen, ob die Anleihegläubigerin tatsächlich überschuldet ist oder nicht. Die
Grundsätze des BGH zur Darlehenskündigung im Falle der finanziellen Schieflage
des Darlehensnehmers sind bereits aufgrund der vergleichbaren Grundkonstellation
übertragbar. Auch bei einer Anleihe stellt der Anleger der Emittentin für einen vorher
bestimmten Zeitraum Kapital zur Verfügung, um hierfür ein zeitabhängiges Entgelt zu
erhalten. In beiden Fällen ist der Gläubiger gegenüber seinem Schuldner in dessen
Krise gleich schutzwürdig.
Fazit
Die richtige Entscheidung des LG Köln steht in Einklang mit der Rechtsprechung des
BGH zur Schutzwürdigkeit des Kapitalgebers in der Krise seines Schuldners. Weder
der Gesetzeszweck des SchVG noch die fehlende Anwendbarkeit des § 314 BGB
stehen der Vergleichbarkeit zwischen dem außerordentlichen Kündigungsrecht des
Darlehensgebers und dem Kündigungsrecht des Anleihegläubigers entgegen. Es
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bleibt daher zu hoffen, dass diese Auffassung auch vom OLG Köln entsprechend
bestätigt wird.
RA Robert D. Buchmann, Rössner Rechtsanwälte, München
Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.03.2012
http://www.die-aktiengesellschaft.de/25752.htm

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