Frankfurter Kommentar
zum Schuldverschreibungsgesetz
Herausgegeben von
Dr. Markus J. Friedl, LL.M.
Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
und
Dr. Mauricio Hartwig-Jacob, LL.M.
Banksyndikus, Frankfurt am Main
Bearbeitet von
RA Dr. Markus J. Friedl, LL.M.
Dr. Mauricio Hartwig-Jacob, LL.M.
RA Dr. Arne C. Lawall
RA Dr. Roiand Schmidtbleicher
RA Karsten Wöckener, LL.M.
RAin Dr. Alexandra Zech
S 237/8
a) Var. 1 - Umwandlung und Umtausch in Gesellschaftsanteile
Soweit § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 zulassen will, dass Schuldverschreibungen per Mehr- 43
heitsbeschluss in Gesellschaftsanteile umgewandelt werden können, bleibt unklar, welche
Fälle die „Umwandlung“ erfassen soll. Zumindest unter den geltenden kapitalgesellschaftsrechtlichen
Regeln erscheint eine echte Umwandlung von Schuldverschreibungen
in Gesellschaftsanteile ausgeschlossen.92
Problematischer erscheint jedoch der Kerngedanke der Norm, per Mehrheitsbeschluss die 44
Anleihegläubiger gesamtverbindlich zu Verbandsmitgliedern ihres Schuldners oder eines
anderen Unternehmens werden zu lassen. Der in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 vorgesehene
Mehrheitsbeschluss zwingt dissentierende Gläubiger, Anteilsinhaber und Mitglied einer
Gesellschaft mit sämtlichen daraus resultierenden Rechten und Pflichten zu werden.
Diese Folge steht jedoch vor dem Hintergrund der negativen Vereinigungsfreiheit des
Art. 9 Abs. 1 GG in Widerspruch zu der in Deutschland geltenden Rechtsordnung. Der
Gesetzgeber daselbst liefert den Anlass, § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 durchaus kritisch zu überprüfen.
Hat er doch in § 225a Abs. 2 Satz 2 und § 230 Abs. 2 InsO gesetzlich klargestellt,
dass eine Umwandlung93 von Forderungen in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am
90 Vgl. Vogel, in: Preuße, SchVG, § 5 Rn. 33.
91 Vgl. Vogel, in: Preuße, SchVG, § 5 Rn. 33.
92 Vgl. zu Umwandlung und Umtausch von Finanzinstrumenten nur Baums, in: FS Canaris, S. 3 ff.
93 Der Terminus Umwandlung ist hier als Umschreibung sowohl von Umwandlung und Umtausch zu verstehen
SchVG § 5 Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger j|
i Schuldner durch einen Insolvenzplan gegen den Willen der betroffenen Gläubiger ausgeschlossen
ist (s. auch § 19 Rn. 74).94 Auch § 9 Abs. 1 Satz 2 KredReorgG konstatiert
ausdrücklich, dass eine Umwandlung95 von Forderungen in Eigenkapital gegen den Willen
der betroffenen Gläubiger ausgeschlossen ist.96 Einer besonderen Aussagekraft kommt
hierbei die Begründung des Diskussionsentwurfs für die entsprechende Norm zu. Dort
wurde seinerzeit formuliert: „kein Gläubiger [seil, darf] gegen seinen Willen in eine Gesellschafterposition
gedrängt werden. Ein anderer Ansatz dürfte bereits mit dem Grundrecht
der negativen Koalitionsfreiheit [seil, gemeint ist offensichtlich die negative Vereinigungsfreiheit]
unvereinbar sein.“ Es ist insoweit zumindest verwunderlich, dass der Gesetzgeber
diese Bedenken erst bei der Reform des Sanierungs- und Insolvenzrechts äußert,
während die Begründung des SchVG sich hierzu ausschweigt und so eine offene Inkonsistenz
der gesetzlichen Regeln für die Gläubigerbeteiligung an einem Debt-Equity-Swap
herrscht. Die besagten Vorschriften des Insolvenzrechts sowie des KredReorgG geben jedenfalls
Anlass, die in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 vorgesehene Regel grundsätzlich in Frage zu
stellen.
94 Der Gesetzgeber hält es für ein „Individualrecht jedes einzelnen Gläubigers“, einer solchen Vergesellschaftung
nicht zuzustimmen, und eine solche Zustimmung könne nicht durch einen Mehrheitsbeschluss
innerhalb einer Gruppe ersetzt werden. Für die Schuldverschreibungsgläubiger will
der Gesetzgeber jedoch eine Ausnahme machen, da die Möglichkeiten zu einem Mehrheitsbeschluss
nach § 5 Abs. 3 Nr. 5 von der Regelung des § 225a Abs. 2 InsO unberührt bleiben; vgl.
insgesamt RegE, BT-Drs. 17/5712, S. 31 und zu § 230 InsO explizit Eidenmüller, in: Münchener
Kommentar z. InsO, § 230 Rn. 46 m. w. N.
95 Auch hier gilt für den Terminus „Umwandlung“ das in Fn. 93 ausgefiihrte.
96 S. zu § 9 Abs. 1 Satz 2 KredReorgG nur Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 9
KredReorgG Rn. 3.
97 Vgl. insgesamt zur ökonomischen Analyse des Insolvenzrechts nur R. Schmidt, Ökonomische
Analyse des Insolvenzrechts, passim.
98 Vgl. Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 203 f.; Maier-Reimer, in: FS Goette,
S. 299, 301 ff.
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