Sonntag, 8. September 2013

Nun ist denkbar, dass in einem Sanierungsfall bei einem DES eine (vollständig oder weitgehend) wertlose Forderung eingebracht wird. Dies kann im Extremfall zur Entstehung einer stammkapitalfreien GmbH führen. Im Ergebnis wären Neugläubiger einer solchen Gesellschaft ohne den Schutz der ansonsten geltenden Kapitalaufbringungsregeln. Wie hier der Schutz von Neugläubigern sicherzustellen ist, ist zurzeit ungeklärt.

Zurückdrängung von Gläubigerschutzregeln zugunsten von Planungssicherheit bei Sanierungsfällen
Parallel zu dieser Ausweitung des Pflichtenkanons des Gesellschafters in der Krise hat dasESUG – ebenfalls im Kontext eines DES im Insolvenzverfahren – auch dem (einfachen) (Insolvenz-)Gläubiger Sanierungslasten und Mitwirkungspflichten auferlegt. Es gibt im deutschen Recht keine generelle Pflicht eines Gläubigers zur Mitwirkung an einer Restrukturierung/Sanierung. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1991 hat der BGBentschieden, dass „nach geltendem Recht ein außergerichtlicher Sanierungsvergleich eine Bindungswirkung nur für diejenigen Gläubiger entfaltet, die ihn geschlossen haben“. „Sogenannte Akkordstörer sind grundsätzlich auch dann nicht gehindert, ihre Ansprüche gegen den Schuldner uneingeschränkt durchzusetzen, wenn eine ganz überwiegende Mehrheit der Gläubiger einen solchen Vergleich befürwortet“ (BGHZ 116, 319). Demzufolge können sich obstruierende Gläubiger jederzeit und ganz risikoarm der Mitwirkung an einem Restrukturierungsvorhaben entziehen. Sogar das Ziel, für sich ein besseres Ergebnis zu erstreiten, als es erreichbar wäre, sollte eine Sanierungsvereinbarung abgeschlossen werden, steht dem nicht entgegen. Darlehensverträge für größere Finanzierungstransaktionen gehen in dieselbe Richtung: Diese sehen für viele Konstellationen, die im Zusammenhang mit einer finanziellen Restrukturierung relevant sind, wie beispielsweise den Verzicht auf Kreditforderungen oder die Stundung, ein Einstimmigkeitsprinzip für die Kreditgeber vor.
Inwieweit bietet das ESUG hier nun Hilfe an? Ein Gesellschafter kann bei Gesellschaftsgründung wie bei einer Kapitalerhöhung Bar- oder Sacheinlagen einbringen. Eine Bareinlage ist unter Kapitalaufbringungsgesichtspunkten unproblematisch. Das Einbringen einer Sacheinlage dagegen, wie zum Beispiel eine gegen die Gesellschaft gerichtete Forderung, ist ein bewertungsbedürftiger Vorgang. Bringt ein Gesellschafter bei einer Sacheinlage nun weniger ein, als er einzubringen verpflichtet ist, also im Fall einer Überbewertung, so haftet er nach allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen (Kapitalaufbringungsgrundsätzen) gegenüber der Gesellschaft auf den Fehlbetrag, d.h. auf die Differenz zwischen dem Nennbetrag der Einlage und dem wirklichen Wert der Forderung. Gemäß § 254 Abs. 4 InsO ist dieser zuvorderst im Interesse der Gesellschaftsgläubiger entwickelte ganz elementare Grundsatz der Bardeckungspflicht bei Überbewertung einer Sacheinlage im Fall einer im Planverfahren durchgeführten Umwandlung einer Fremdkapitalposition in Eigenmittel (durch zum Beispiel eine Sachkapitalerhöhung) jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn der Insolvenzplan vom Gericht bestätigt worden ist. Entsprechende Ansprüche wegen einer Überbewertung der Forderungen können vom Schuldner gegen die bisherigen Gläubiger dann nicht mehr geltend gemacht werden. Außerhalb des Planverfahrens ist eine Überbewertung einer Sacheinlage dagegen unverändert angreifbar.
Gesetzgeberische Idee hinter dieser Regelung ist, dass bei Sanierungen und Restrukturierungen Kalkulations- und Planungssicherheit Vorrang vor dem Gläubigerschutz genießen sollen. Interessen der Gläubiger, so der Gesetzgeber in seiner Begründung, werden durch das Planverfahren geschützt: Sie können auf eine Überbewertung der Sacheinlage hinweisen sowie Rechtsmittel gegen den Plan und damit die Bewertung einlegen. Klar sollte indes sein, dass es hier um eine verfahrensrechtliche Absicherung, nicht um materiellen Gläubigerschutz geht.
Nun ist denkbar, dass in einem Sanierungsfall bei einem DES eine (vollständig oder weitgehend) wertlose Forderung eingebracht wird. Dies kann im Extremfall zur Entstehung einer stammkapitalfreien GmbH führen. Im Ergebnis wären Neugläubiger einer solchen Gesellschaft ohne den Schutz der ansonsten geltenden Kapitalaufbringungsregeln. Wie hier der Schutz von Neugläubigern sicherzustellen ist, ist zurzeit ungeklärt. Die Diskussion in Rechtsprechung und Literatur dazu steht erst ganz am Anfang. Darauf soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.

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