Der Mann, der Solarworld retten soll und im Hintergrund die Fäden zieht, heißt Hans-Gerd Jauch. Tatsächlich zählt Jauch zu den profiliertesten Insolvenzverwaltern Deutschlands. Er hat Dutzende gestrauchelte Unternehmen verkauft, gerettet oder fachmännisch zerlegt, darunter AgfaPhoto, den Maschinenbauer Babcock Borsig oder das Handelskonglomerat Arcandor. Nun dirigiert er den Bonner Solarkonzern Solarworld durch die Verhandlungen mit den Banken, lotet mit Unternehmenschef und -gründer Frank Asbeck die Sanierungschancen aus und steckt die finanzielle Grenzlinie ab, hinter der ein Insolvenzantrag unausweichlich wäre. Wortgewaltiger Jurist trifft auf Ego-Shooter der deutschen Solarindustrie - kann die Liaison funktionieren?
In St. Aposteln hat sich Jauch an dem Sonntag Mitte März vor einem Bild aufgebaut, das auf den ersten Blick wie eines jener christlichen Großgemälde wirkt, das die Grablegung Christi zeigt. "König der Könige" lautet der Titel. Darauf ist Libyens getöteter Diktator Muammar al-Gaddafi zu sehen, in eine Baumarktplane gehüllt, "im Hintergrund wohlausgesuchte Frauen, die jedem Messestand zur Ehre gereicht hätten", lobt Jauch das Werk. Er hat das Gemälde bei dem Kölner Künstler Gerd Mosbach in Auftrag gegeben, nachdem im Internet entwürdigende Bilder des getöteten Herrschers zirkulierten, die Jauchs christliches Moralempfinden empörten. Demnächst soll das 2,32 breite Bild sein Büro bei der Wirtschaftskanzlei Görg am Kölner Rheinufer zieren.
Ein toter Diktator im Anwaltsbüro? Während sich sonst gern gefällige Abstraktionen an die Wände von Wirtschaftsjuristen schmiegen, Werke, so interpretier- und dehnbar wie die Vergütungsrichtlinien der Insolvenzordnung, lässt Jauchs Bildwahl keinen Deut Spielraum zu: klare Kante statt kuscheliger Konsens.
Gezielte Provokation? Und ob. Verstörte Mandanten? Egal. Zumal es Jauch im Zweifel wohl gelänge, allzu konsternierte Besucher mit seinem plaudernd-dozierend Erzählstrom zu besänftigen.
Onkel Hansi erklärt die Welt
Das Thema ist im Grunde Nebensache. Der Jurist stopft genüsslich seine Pfeife und breitet Kenntnisse über romanische Kirchen und historische Schlachtenaufstellungen aus oder referiert über das Erziehungsmodell der als Tiger Mom bekannten Yale-Professorin Amy L. Chua. Kanzleiintern soll Jauch seine Vorträge selbstironisch unter dem Motto "Onkel Hansi erklärt die Welt" zusammengefasst haben.
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Beide schlugen ihre Karrierepfade mehr oder weniger zufällig ein. Asbeck startete mit einem Ingenieurbüro zur Demontage von Industrieanlagen. Jauch wollte Medizin studieren und schrieb sich für Jura nur ein, um die Wartezeit zu überbrücken. Halbtags arbeitete er als Krankenpfleger in der Rheinischen Landesklinik in Bonn, Abteilung Psychiatrie. Als er endlich bei Medizin zum Zuge kam, hatte er schon etliche Jurascheine, machte weiter und beendete nach 24 Semestern Studium und Nebenjob. Allerdings habe er den "weißen Kittel aus der Zeit meiner früheren Tätigkeit in der Psychiatrie nie wieder abgelegt bekommen", ließ Jauch das Branchenmagazin "InDat-Report" wissen, "Jura ist noch irrer".
Er stieg in die Sozietät des Kölner Insolvenzverwalters Klaus-Hubert Görg ein und bekam schnell größere Fälle: Beim Oberhausener Anlagenbauer Babcock Borsig übernahm er 2002 die operative Führung. Es war eines der ersten Verfahren in Eigenverwaltung. 2005 wurde Jauch zum Insolvenz-Geschäftsführer des Fotokonzerns AgfaPhoto bestellt. Von 2009 an mischte er mit seinem Mentor Görg bei der Pleite des Essener Handelskonzerns Arcandor mit.
Dabei machte sich der Jurist nicht nur Freunde. In zwei Verfahren verklagt er Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff auf einen Millionenbetrag. Als "übertrieben aggressiv" wertet das Middelhoffs Anwalt Winfried Holtermüller. Jauch sei seinem Mandanten "mit dem Panzer ins Wohnzimmer gefahren" und habe Middelhoff in der Öffentlichkeit kriminalisiert. Nun will Holtermüller Jauch auf 120 Millionen Euro Schadensersatz verklagen. Ein Görg-Sprecher weist die Vorwürfe zurück, eine Strafanzeige in der Sache verlief im Sande.
In der eigenen Zunft genießt Jauch indes einen tadellosen Ruf. Selbst manch Großpleitier gewinnt Jauchs Wirken positive Aspekte ab. Jauch sei "ein sehr korrekter und gewissenhafter Insolvenzverwalter", lobt etwa der Immobilienunternehmer Herbert Hillebrand, der einst als Deutschlands Burgenkönig für Schlagzeilen sorgte und sich mit Engagements im Osten verhob. "Man könnte auch sagen 'hart, aber fair'", erinnert sich Hillebrand.
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