BonnDer Sonnenkönig hat sein irdisches Reich gerettet: Beim hochverschuldeten Solarmodul-Hersteller Solarworld stimmten die Aktionäre am Mittwoch dem Rettungsplan von Firmengründer Frank Asbeck mit 99,1 Prozent zu. Damit bleibt das Lebenswerk des streitbaren Westfalen bewahrt. Doch hat dies seinen Preis. Asbeck wird sich die Macht nun mit ausländischen Investoren teilen müssen. Das Emirat Katar soll neuer Hauptaktionär werden. Der Firmenchef steht als Anteilseigner künftig dann nur noch an zweiter Stelle.
Das Ja der Aktionäre erfolgte auf einer außerordentlichen Hauptversammlung in Bonn. Bei einer Präsenz von 31,20 Prozent nickten 99 Prozent das Sanierungskonzept ab, das auch den Anteilseignern einen herben Verzicht abverlangt. Mit ihrer Zustimmung müssen die Aktionäre einen weitgehenden Verlust ihrer Anteile hinnehmen. Sie würden „quasi enteignet“, sagte Roland Klose von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
Die Gläubiger tauschen 55 Prozent ihrer Forderungen in Aktien, den Altaktionären bleiben dann ganze fünf Prozent an Solarworld. Nach Ansicht von Aktionärsschützern war die Entscheidung alternativlos, da den Anteilseignern im Falle einer Insolvenz ein Totalverlust gedroht hätten. Die Beratungen zogen sich bis in den späten Abend hin, weil wenige Aktionäre immer wieder neue Detailfragen zum Sanierungsplan stellten.
SOLARBRANCHE
Asbeck zeigte sich nach der Zustimmung erleichtert. „Wir haben genau zwölf Stunden gekämpft und eine mehr als 90-prozentige Zustimmung für unser Konzept von den Aktionären erhalten. Damit kann der Rettungsplan jetzt fortgeführt werden“, sagte Asbeck der dpa.
Asbeck selbst will wieder mit frischem Kapital von rund 10 Millionen Euro ins Boot steigen. Er käme dann auf einen Anteil von rund 20 Prozent. Daneben soll Qatar Solar mit 35 Millionen Euro einsteigen und mit 29 Prozent größter Einzelaktionär werden.
Bei dem Aktionärstreffen war insgesamt rund 31 Prozent des Kapitals vertreten, so dass eine Annahme des Sanierungspakets gesichert war. Denn allein Asbeck hält 28 Prozent der Anteile und für eine Billigung waren 75 Prozent des anwesenden Kapitals erforderlich.
Die Versammlung war die letzte Etappe im Entscheidungsmarathon über das Rettungspaket. In den vergangenen beiden Tagen hatte Asbeck es geschafft, die Gläubiger von Anleihen über insgesamt 550 Millionen Euro davon zu überzeugen, dass sie auf 55 Prozent ihrer Forderungen verzichten, um dem Unternehmen eine Überlebenschance zu geben. Davor hatten schon die Darlehensbanken den Sanierungsplänen ebenfalls mit dem Verzicht auf Forderungen zugestimmt.
Gläubiger und Aktionäre haben nun vier Wochen Zeit Anfechtungsklagen gegen die Beschlüsse zu erheben. Diese könnten die Sanierungspläne letztendlich doch noch torpedieren. Die klagefreudige Kleinaktionärin Catarina Steeg erklärte: "Ich weiß noch nicht, ob ich Klage erhebe."
Die Anteilseigner nutzten das Aktionärstreffen zur Generalabrechnung mit dem Firmenlenker. Sie warfen dem Management unter anderem mangelnde Weitsicht vor, erklärten aber, die Zustimmung als "alternativlos". Ähnlich sah es Ralf-Jochen Ehresmann von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) und dem Dachverband kritischer Aktionäre: "Wenn wir nicht zustimmen, dann ist heute um Mitternacht Schluss und Solarworld ist dann Geschichte."
Der Sanierungsplan von Solarworld
Schuldenschnitt
Kernpunkte sind ein Schuldenschnitt und eine erhebliche Abwertung der Aktien im Verhältnis 1:20. Der Anteil des Gründers Frank Asbeck schrumpft beispielsweise dadurch von 28 auf 1,4 Prozent.Neue Aktien
Neue Verhältnisse
Aufsichtsrat
Vor allem die Kleinaktionäre übten harsche Kritik. Sparten sie früher nicht mit Applaus und vertrauten Asbecks Aussage, Solarworld werde zu den wenigen Überlebenden der Branche gehören, warfen sie ihm nun "Selbstbereicherung" und "Großkotzigkeit" vor.
Solarworld beschäftigt am Hauptproduktionsstandort im sächsischen Freiberg, einem weiteren Werk in den USA und in der Bonner Zentrale noch rund 2600 Mitarbeiter. In Spitzenzeiten waren es insgesamt einmal 3500. Der Personalabbau gilt nach Angaben von Solarworld als weitgehend abgeschlossen.
Dem Bonner Konzern dürfte es auch bei einem finanziellen Rettungsakt nach Ansicht von Experten schwer fallen, sich im hartumkämpften Markt zu behaupten. Preisverfall und Überkapazitäten machen Solarworld zu schaffen. Auf der einen Seite drücken Förderkürzungen auf den europäischen Heimatmärkten, auf der anderen Seite die Konkurrenz aus China. Allein 2012 betrug der Verlust knapp 480 Millionen Euro.
Asbeck sagte vor den Aktionären, Solarworld habe eine Zukunft und sei auch wettbewerbsfähig. Bei den Gesamtkosten liege Solarworld kaum über dem Niveau, zu dem die chinesische Konkurrenz produziere. Solarworld liefere ein Qualitätsprodukt und werde weiter in Neuerungen investieren. „Es wird einen technologischen Wettlauf geben, dem sich Solarworld stellen wird.“
Asbeck gilt als eine der schillerndsten Figuren der deutschen Öko-Branche. Der Vater dreier Kinder wurde am 11. August 1959 in Hagen geboren und gehört zu den Gründungsmitgliedern der Grünen in Nordrhein-Westfalen. Schon früh verdiente er sich mit eigenen Unternehmungen Geld - und auch mit unkonventionellen Geschäftsideen.
Als Student der Agrarwissenschaften verkaufte Asbeck in den 80er Jahren von einer von ihm selbst angelegten Streuobstwiese Äpfel an Bio-Märkte in Bonn. Während des Bosnien-Kriegs in den Neunzigerjahren vermietete er in Sarajevo gepanzerte Autos an Journalisten. Dass er obendrein gerne in einem Maserati vorfährt und mehrere Motorräder in der Garage stehen hat, dürfte ihm in seiner Partei - das grüne Parteibuch hat er noch immer - die Stellung eines Exoten geben.
Das Unternehmen Solarworld baute Asbeck ab 1988 auf. Keimzelle war ein Ingenieurbüro, das der diplomierte Agraringenieur damals gründete. 1995 sorgte er bundesweit für Aufsehen, als er auf eine Bonner Industriehalle eine Solarstromanlage schrauben ließ, die mit 500 Kilowatt Leistung die damals größte in Deutschland war.
Frank Asbeck - ein Unternehmenschef, der polarisiert
Ungewöhnlicher Werdegang
Ende 1979 gehörte der in Hagen geborene Frank Asbeck zu den Gründungsmitgliedern des ersten Landesverbandes der Grünen in Nordrhein-Westfalen. Der Diplom-Agraringenieur bereiste in jungen Jahren mit dem Motorrad Afrika, wurde in Nigeria Berater und renovierte dort Fabriken. 1998 gründete er in seiner Bonner Heimat die Firma Solarworld.Selbstdarsteller
Gewagte Ideen
Ausschweifender Lebensstil
Schuld haben die Anderen
1998 gab er Solarworld den heutigen Namen und machte daraus eine Aktiengesellschaft, deren Vorstandschef er seitdem ist. Als reine Handelsgesellschaft gestartet, baute Asbeck Solarworld immer weiter aus. Heute ist das Unternehmen ein vollintegrierter Hersteller. Das heißt: Solarworld macht in seinem Geschäftsfeld alles - von der Siliziumherstellung bis zum Verkauf fertiger Solarmodule.
Asbeck kaufte geschickt Firmenteile zu. 2006 gelang ihm mit der Übernahme der Solarsparte des Öl-Multis Shell ein Coup. Das Geschäft trieb den Aktienkurs der Solarworld in die Höhe und trug dem mit einer barocken Figur ausgestatteten Unternehmer den Spitznamen "Sonnenkönig" ein.
Kritik brachte Asbeck der Kauf des Schlosses Marienfels am Rhein von TV-Entertainer Thomas Gottschalk ein. Solarworld wälzte zu diesem Zeitpunkt bereits einen immensen Schuldenberg vor sich her - die Nettoverschuldung des Unternehmens belief sich im ersten Quartal auf über 800 Millionen Euro.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen