Mittwoch, 7. August 2013

Die Anteilseigner stimmen dem Sanierungsplan des größten deutschen Solartechnik-Unternehmens zu. Mit dem 95-prozentigen Kapitalschnitt wendet der hoch verschuldete Konzern die Insolvenz ab. Vorerst.

Aktualisiert vor 4 Minuten

Sonnenstrom

Solarworld-Aktionäre stimmen für Rettungsplan

Die Anteilseigner stimmen dem Sanierungsplan des größten deutschen Solartechnik-Unternehmens zu. Mit dem 95-prozentigen Kapitalschnitt wendet der hoch verschuldete Konzern die Insolvenz ab. Vorerst.Von 

Solarworld-Chef Frank Asbeck
Foto: picture alliance / dpaSolarworld-Chef Frank Asbeck wurde von den Aktionären heftig kritisiert

Die Aktionäre von Solarworld haben dem Rettungsplan für das verschuldete Unternehmen zugestimmt. Damit ist der Weg frei für das geplante Sanierungskonzept. Mit ihm will Vorstandschef Frank Asbeck eine drohende Insolvenz vermeiden und für Solarworld einen Neustart ermöglichen.
Das Ja der Aktionäre erfolgte auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am Mittwoch in Bonn. Die Zustimmung lag bei 99 Prozent. Die Beratungen zogen sich bis in den späten Abend hin, weil wenige Aktionäre immer wieder neue Detailfragen zum Sanierungsplan stellten.
Asbeck zeigte sich nach der Zustimmung erleichtert. "Wir haben genau zwölf Stunden gekämpft und eine mehr als 90-prozentige Zustimmung für unser Konzept von den Aktionären erhalten. Damit kann der Rettungsplan jetzt fortgeführt werden", sagte Asbeck.

Kritik am "Sonnenkönig"

Die Aktionäre von Solarworld hatten den einst als "Sonnenkönig" gefeierten Konzernchef Asbeck scharf kritisiert. "Das Management hat bis heute nicht erkannt, dass es Fehler gemacht hat", schimpfte Roland Klose von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) auf der außerordentlichen Hauptversammlung in Bonn.
Eine wirkliche Wahl zu diesem 95-prozentigen Kapitalschnitt hatten sie nicht: "Wenn wir nicht zustimmen, dann ist heute um Mitternacht Schluss und Solarworld ist dann Geschichte," gestand Ralf-Jochen Ehresmann von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) ein. "Wir müssen diesen Braten, so unangenehm er aussieht, schlucken", sagte auch Klose.
Bei einer Präsenz von 32 Prozent hatte Asbeck mit seinem 28-prozentigen Aktienpaket das Zepter in der Hand. Eine Insolvenz wäre damit erst einmal vom Tisch. Anfechtungsklagen könnten aber die Sanierungspläne noch torpedieren. Einzelne Aktionäre gaben bereits ihren Widerspruch zu Protokoll.

Aktionäre sind verbittert

Sparten die Anteilseigner früher nicht mit Applaus und vertrauten Asbecks Aussage, Solarworld werde zu den wenigen Überlebenden der Branche gehören, so warfen sie ihm nun mangelnde Weitsicht vor. Asbeck hätte die Misere kommen sehen und gegensteuern müssen, kritisierte Klose. Die Wettbewerber in China hätten schließlich mit deutschen Maschinen ihre Kapazitäten aufgebaut.
Asbeck hatte sich vor dem Treffen überzeugt gezeigt, dass Solarworld es dennoch schaffen wird. "Wir haben Premiumprodukte, und damit werden wir auch Marktanteile holen." Nach der finanziellen Sanierung werde Solarworld "wieder durchstarten" können.
Branchenbeobachter rätseln allerdings, wie dem Konzern der Aufstieg aus dem tiefen Tal gelingen soll, selbst wenn er jetzt noch eine finanzielle Atempause erhält. Denn die Entscheidungen der letzten Tage und Wochen drehten sich ausschließlich um die "finanzielle Restrukturierung" des Konzerns und seiner Schulden. Über Konzepte für das operative Geschäft der Zukunft aber wurde so gut wie gar nicht gesprochen.

Mangel an Strategien

Der auch nach der Restrukturierung mit rund 420 Millionen Euro weiterhin hoch verschuldete und immer noch defizitär arbeitende Konzern macht kaum deutlich, wie er in Zukunft wieder Gewinn machen will. "Es ist schon erstaunlich", sagt Wolfgang Hummel vom Zentrum für Solarmarktforschung in Berlin, "der Markt hat sich radikal geändert und die Solarworld-Führung reagiert noch nicht einmal mit einem Konzept."
Was sich aus Präsentationen und öffentlichen Äußerungen Asbecks dazu herauslesen lässt, sieht eher nach einem Festhalten an alten Rezepten aus. So erklärte der Konzernchef im "Handelsblatt", er wolle von der Struktur eines voll integrierten Unternehmens und Komplettanbieters nicht abweichen.
Branchenbeobachter wie Hummel halten das für einen Fehler. Da solartechnische Komponenten nun billig und in guter Qualität am Markt verfügbar seien, sei es falsch, alles selber machen zu wollen. Das Unternehmen nehme sich damit die Möglichkeit, jeweils beim besten und billigsten Vorlieferanten einzukaufen.

Solar-Silizium ist kein Erfolgsrezept

Der geplante Bau einer Fabrik für Solar-Silizium in Katar kann nicht als der große Befreiungsschlag gelten. Das Produktionsvolumen der vom Joint Venture "Qatar Solar Technologies" geplanten Anlage ist mit 5000 bis 8000 Tonnen Polysilizium pro Jahr viel zu klein und beträgt kaum zwei Prozent des Weltmarktes.
Wettbewerber wie die deutsche Wacker Chemie AG bringen es auf den zehnfachen Output – und verfügen über einen jahrzehntelangen Vorsprung. Zudem wurde die Anlage zu Zeiten geplant, als Solar-Silizium noch knapp war und zu 300 bis 400 Dollar pro Kilo gehandelt wurde. Inzwischen ist der Kilopreis jedoch auf unter 20 Euro gefallen.
Auf der Hauptversammlung in Bonn kritisierten auch die Aktionäre das Fehlen einer Strategie. Ein Kleinaktionär murrte Richtung Asbeck: "Halten sie an etwas fest, das nicht mehr zu retten ist und leiden sie etwa unter Realitätsverlust." DSW-Sprecher Klose sagte: "Wir haben nur die paar Kröten und die Hoffnung." Solarworld stelle sein Gütesiegel in den Vordergrund. "Aber ist der Kunde denn bereit, dafür mehr zu zahlen?"

Kunden erwarten Sicherheit

Diese Zweifel sind berechtigt. Bislang konnte Solarworld wegen seines starken Markenimages und des hohen Kundenvertrauens vergleichsweise hohe Preise nehmen. In Zukunft dürfte der an der Insolvenz vorbeigeschrammte Konzern weniger auf diese Bastion bauen können.
Denn Kunden erwarten immer mehr auch die Garantie, über die Betriebsdauer hinweg Gewährleistungsansprüche geltend machen zu können, sowie Reparatur- und Wartungsdienstleistungen in Anspruch nehmen zu können. Ein Anbieter, von dem unklar ist, ob es ihn in drei Jahren noch gibt, büßt in den Augen der Kunden an Attraktivität ein.
Die Ankündigung, verstärkt in die Märkte Lateinamerikas, Asiens oder Afrikas vordringen zu wollen, erscheint wenig plausibel: Anders als in den bisherigen Kernmärkten Europa und USA wäre Solarworld hier durch keinerlei Handelsschranken vor Billigkonkurrenz aus Asien geschützt. Dasselbe gilt für die Idee, Solaranlagen künftig vor allem als Komplettsystem mit Stromspeichern und Steuerungseinheiten verkaufen zu wollen: Eine Vielzahl von Wettbewerbern macht bereits dasselbe, darunter auch große Konzerne der Heiz- und Klimatechnik.
Bei Stromspeichern wäre Solarworld zudem erneut der asiatischen Billigkonkurrenz ausgesetzt: Großkonzerne wie BYD aus China verkaufen längst Tausende ihrer kühlschrankgroßen Solarstrom-Akkus auf den deutschen Markt. Dass sich auch diese Konkurrenz durch Anti-Dumping-Klagen aufhalten ließe, wird selbst ein Optimist wie Frank Asbeck nicht glauben.

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