Dienstag, 12. Februar 2013

Windige Geschäfte um Windreich

Autor: Lindenberg1
Datum: Heute, 16:48
 
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.02.2013, Nr. 36, S. 12

Windige Geschäfte um Windreich

Weil Windkraftpionier Willi Balz kurzfristig Geld brauchte, lieh es ihm ein schottischer Lord gegen 24 Prozent Zinsen. Zur Ablösung des Kredits vermachte Balz dem Schotten das Windparkprojekt Deutsche Bucht. Die Anleger der Windreich AG ahnen von dieser Transaktion nichts.

Von Susanne Preuß

STUTTGART, 11. Februar. Wer Lord Irvine Laidlaw nicht kennt und nach ihm googelt, findet schillernde Geschichten: Von Sexskandal ist die Rede, von Kokain, von Steuerflucht aus Großbritannien. Dabei gehörte der 69 Jahre alte Schotte einst dem House of Lords an, und das von ihm gegründete Institute for International Research soll ihn beim Verkauf anno 2005 zum Beinahe-Milliardär gemacht haben.

Den Namen sollten eigentlich auch die Zeichner der beiden Windreich-Anleihen kennen. Während ihre im Mittelstandssegment Bond-M notierten Papiere mit einem Volumen von 125 Millionen Euro teilweise 50 Prozent unter Nennwert notieren, hat der Lord nämlich ordentlich Kasse gemacht bei Windreich. Laidlaw gehört mittlerweile das komplette Windpark-Projekt Deutsche Bucht, dazu ein Anteil an dem schon im Bau befindlichen Windpark Global Tech1, Kaufpreisansprüche über 20 Millionen Euro an zwei On-shore-Windparks, Projektrechte an verschiedenen Vorhaben in der Ostsee und noch vieles mehr.

Das alles, weil der schottische Lord mit Wohnsitz in Monaco seinem Segel- und Motorsport-Bekannten Willi Balz einmal in allerhöchster Not 50 Millionen Euro geliehen hat, und dann noch zweimal 5 Millionen Euro. Wer glaubt, diese Summe wäre nun getilgt mit all den Sachleistungen und Ansprüchen, die an Laidlaw gingen, irrt gewaltig. Nach Abschluss eines umfangreichen Vertragswerks zwischen Laidlaw und Windreich im vergangenen Oktober lagen die Schulden immer noch bei 43 Millionen Euro. "Stimmt ungefähr", antwortet Willi Balz, als er von dieser Zeitung mit dieser bitteren Wahrheit konfrontiert wird.

Das alles aber ist bisher im Verborgenen geblieben. Schlimmer noch: Willi Balz, Alleinaktionär der Windreich AG, tut alles dafür, um die Geschäfte als Erfolg erscheinen zu lassen. "Nordsee-Windprojekt Deutsche Bucht an Finanzinvestor verkauft", lautete der Titel einer Ad-hoc-Mitteilung von Windreich im Oktober, und darunter verheißungsvoll: "Windreich erzielt mit Deutscher Bucht Erlöse im dreistelligen Millionenbereich." Im Text heißt es geradezu schwärmerisch: "Damit ist auch dieses Windreich-Offshoreprojekt ein voller Erfolg, und der schwäbische Windkraftpionier erobert die deutsche Nordsee endgültig."

Geradezu inbrünstig wird beschrieben, welch stattlichen Beitrag die 42 Windkraftanlagen mit insgesamt 210 Megawatt zur Energiewende leisten: "Durch diesen unerschöpflichen Windstrom werden über 600000 Tonnen CO2 und 2,8 Tonnen Atommüll eingespart." Und drei Sätze weiter heißt es: "Der Erfolg der Windreich beeindruckt auf der ganzen Linie." Wer der Investor ist, welcher Kaufpreis vereinbart wurde und welche Absicherungen Irvine Laidlaw noch zusätzlich erhält, wird in der Mitteilung nirgendwo erwähnt. Auch Nachfragen brachten keine Aufklärung. Noch vor wenigen Tagen stellte Balz gegenüber dieser Zeitung das Geschäft mit Laidlaw als einen ganz üblichen Vorgang dar, der Windreich voranbringe und die Verschuldung deutlich reduziere. Das hat das Unternehmen auch dringend nötig. Im Finanzbericht zum 30. Juni 2012 (einen aktuelleren gibt es nicht) standen Schulden von 480 Millionen Euro, bei einem Halbjahresumsatz von 33 Millionen Euro zu Buche. Von drohenden Liquiditätsengpässen war in dem Bericht die Rede und vom Bemühen, zwecks Umschuldung Bankkredite in dreistelliger Millionenhöhe zu erhalten.

Vielleicht setzte Balz damals noch darauf, den schottischen Lord durch eine solche Umschuldung loszuwerden. Vergeblich offenbar. Von Bankkrediten wurde nichts mehr berichtet, aber sehr bald vom "Verkauf" des Projekts Deutsche Bucht an Laidlaw. Die Zeit drängte: der Lord verlangte Monat für Monat mehr als eine Million Euro Zinsen, wie aus dem Vertrag hervorgeht. Stand Windreich Ende 2011 nämlich erst mit 66,652 Millionen Euro bei Laidlaw in der Kreide, stieg der am 30. September 2012 ausstehende Darlehensbetrag inklusive Zinsen auf 78 669 355 Millionen Euro. Daraus errechnet sich ein Zins von 24 Prozent. "Ihre Rechnung ist im Wesentlichen korrekt", kommentiert Willi Balz auf schriftliche Anfrage dieser Zeitung: "Allerdings haben wir die Mittel auch äußerst kurzfristig benötigt." Weil man damit eine heikle Situation bei einem anderen Projekt - dem Windpark Global Tech 1 - lösen konnte, habe dort ein "dramatischer Wertzuwachs" stattgefunden: "Von diesem Projektfortschritt hätten wir nicht profitieren können ohne die großzügige Unterstützung von Laidlaw Capital."

Aus dem Zangengriff des Investors hat sich Windreich aber nicht befreit, obwohl der Schotte sich neben dem Projekt Deutsche Bucht noch alle möglichen anderen Sicherheiten hat gewähren lassen. Noch immer verbleibt eine Restschuld von 43 Millionen Euro. "Es bestand nie die Erfordernis, das Darlehen auf null zu fahren", schreibt Balz dazu: "Vielmehr wollten wir durch die Teilreduzierung die Zinsen senken, was ja auch eindrucksvoll gelungen ist. Aktuell zahlen wir marktübliche acht Prozent, und das ist komfortabel für die Windreich AG."

Um die Schuld zu tilgen, muss Windreich noch einiges leisten: Laidlaw erwartet, dass die Mannschaft des schwäbischen Ingenieurs den Windpark nun tatsächlich entwickelt, was eigentlich das Kerngeschäft von Windreich ist. Nach einem lukrativen Auftrag hört sich das allerdings nicht an, wie sich beispielsweise anhand von Formulierungen zur Reisekostenerstattung ablesen lässt: "Erstattungsfähig sind bei Flugreisen grundsätzlich Linienflüge der Economy-Klasse." Außerdem legt der Investor eine gewisse Grundskepsis an den Tag: "Mindestens monatlich, jedoch stets mit der jeweils gebotenen zeitlichen Nähe", solle "über alle relevanten Aspekte des Projekts schriftlich" berichtet werden, so auch über die bestehende Liquidität, Liquiditätsplanung, Guthabenbestände und Kontoumsätze.

Unbeirrt bleibt Balz bei seiner Darstellung, dass sich daraus "schon in der Summe" dreistellige Millionenerlöse errechnen könnten. Dabei verweist er auf die "Upside-Regelungen", die zwischen beiden Parteien vereinbart wurden: Sollte danach der Lord mit dem Weiterverkauf des Windparks eines Tages den großen Reibach machen, könnte Windreich davon profitieren, erklärt er gegenüber dieser Zeitung und liefert eine Tabelle zur möglichen Überschussverteilung. Wer allerdings im Vertrag zwischen Laidlaw und Windreich nachvollziehen will, was vom Erlös erst einmal alles abgezogen wird und dass dann sämtliche Investitionen des Lords, verzinst mit 20 Prozent jährlich, gegengerechnet werden, ahnt, dass der dreistellige Erlös kaum mehr ist als ein Hoffnungswert.

Eine Sorge weniger immerhin hat Willi Balz. Denn es ist tatsächlich auch etwas Geld geflossen bei diesem großartig angepriesenen "Verkauf": 15 Millionen Euro wurden im Zuge des Geschäfts an die Mittelstandsbank IKB überwiesen, die noch ein Pfandrecht auf das Projekt Deutsche Bucht hatte. "Ja", schreibt Balz auf eine entsprechende Frage: "Wir haben aktuell bei der IKB keinerlei Kredite mehr stehen, und das ist gut so."

Geändert von Lindenberg1 (Heute um 16:49 Uhr) Grund: Formatierung

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